Interview de Félix Braz avec le Luxemburger Wort

"Der Whistleblower ist (...) kein politischer Aktivist"

Interview: Luxemburger Wort (Bérengère Beffort)

Luxemburger Wort: Bislang gehen Whistleblower ein hohes Risiko ein, wenn sie auf Missstände hinweisen. Inwiefern gedenken Sie, den Schutz zu verbessern? Eine entsprechende Diskussion erfolgte bereits mit Fachausschüssen im Parlament ...

Félix Braz: Die aktuelle Gesetzgebung zum Whistleblower ist aus dem Jahr 2011 und war sogar eine der ersten in Europa. Nun könnte das Gesetz sinnvollerweise um einiges ausgeweitet werden. Whistleblower können wesentlich zum Aufdecken von Straftaten beitragen, zum Beispiel bei Korruptionsfällen. Ziel ist es, Beschäftigten, die in ihrem Betrieb Bedenken hegen und in gutem Glauben auf einen Missstand hinweisen möchten, einen besseren Schutz zu gewähren, indem wir für einen entsprechend geregelten Rahmen sorgen. Werden unlautere Geschäftspraktiken und Korruptionsfälle zunehmend aufgedeckt, kommt das insgesamt ehrlichen und sauberen Unternehmen zugute. Ich habe mich dementsprechend u. a. mit Transparency International, der Unternehmervereinigung UEL, der CSSF, der ABBL, Anwalts- und Justizvertretern und der Datenschutzkommission unterhalten. Erste Überlegungen fanden im Gespräch mit parlamentarischen Fachausschüssen auch Zuspruch.

Luxemburger Wort: Das jetzige Gesetz bewerten Sie also als völlig unzureichend?

Félix Braz: Nein, im Gegenteil. Das aktuelle Gesetz gewährt uns eine gute Basis und stellt Regeln auf, die nach wie vor richtig sind. Ein Arbeitnehmer genießt heute prinzipiell einen arbeitsrechtlichen Schutz, wenn er "in gutem Glauben" in seinem Betrieb auf mögliche Missstande aufmerksam macht. Der Arbeitgeber kann den Beschäftigten vor diesem Hintergrund nicht entlassen. Das Gesetz setzt auch voraus, dass es sich um folgende Vergehen handeln muss: Korruption, "Prise illégale d'intérêt" oder Vorteilsname. Diese werden laut Strafgesetzbuch geahndet. Laut meinen jüngsten Informationen, hat aber bislang kein Beschäftigter den Schutz als Whistleblower vor Gericht bezogen. 

Luxemburger Wort: Weil niemand dieses Recht einklagte?

Félix Braz: Es gab wohl einen Fall, in dem eine Person darauf Anspruch erhoben hat. Die Justiz befand den Schutzantrag allerdings für nicht zulässig. Fakt ist jedenfalls, dass das Gesetz bisher kaum zur Anwendung kam. Gezielte Verbesserungen könnten also dazu beitragen, für zusätzliche Klarheit zu sorgen, wenn Beschäftigte auf eventuelle Probleme hinweisen, und so auch die Zahl der Fälle erhöhen.

Luxemburger Wort: Inwiefern wird die bestehende Regelung denn im Sinn des Whistleblowers verbessert?

Félix Braz: Der Denkprozess ist noch nicht abgeschlossen. Änderungen könnten aber auf drei Ebenen erfolgen. Zum ersten könnten wir die Vorgehensweise des Whistleblowers näher definieren. Übers allgemeine Prinzip hinaus wäre es hilfreich festzuhalten, wie man auf Probleme hinweist und sie zu klären versucht. Das bedeutet, dass der Whistleblower zuerst intern, im Betrieb, nach Lösungen sucht ...

Luxemburger Wort: Wenn Whistleblower etwas enthüllen, geht es in der Sache nicht um Kavaliersdelikte. Ganz unbedarft wird der Hinweisgeber wohl kaum bei seinem Vorgesetzten anklopfen? Im Zweifelsfall würde er doch eher kündigen und sich an die Öffentlichkeit richten?

Félix Braz: Nein, es muss nicht zum freiwilligen oder forcierten Abgang kommen. Ziel des Whistleblowers sollte die Problemlösung an sich sein. Ein Whistleblower sollte demnach nicht damit anfangen, alles an die große Glocke zu hängen und sofort eine Pressekonferenz einberufen, sondern versuchen das Problem zu lösen.

Luxemburger Wort: Ist das nicht zu restriktiv? Der Whistleblower könnte weder extern Kritik ausüben noch Resonanz in der breiten Öffentlichkeit suchen?

Félix Braz: Der Whistleblower ist grundsätzlich jemand, der im Betrieb arbeitet. Für alle weiteren Fälle, in denen sich jemand an die Medien wendet, gilt der Quellenschutz der Presse. Die Journalisten sichern ihre Kontakten Vertraulichkeit zu und müssen die Glaubwürdigkeit prüfen. Verfügt eine Person also über relevante Informationen eines Betriebs, in dem sie selbst nicht tätig ist, ist die Situation jetzt schon im Quellenschutz geregelt. Diese Person braucht keinen weiteren Schutz. Hier geht es darum, besorgten Beschäftigten zu helfen. Hängt ein Mitarbeiter die Sache sofort an die mediale Glocke wird man ihm den "guten Glauben" abstreiten und er riskiert seinen Schutz als Whistleblower verspielt zu haben. Es geht auch darum den Ruf eines Unternehmens oder einer Organisation nicht unverhältnismäßig zu schaden.

Luxemburger Wort: Ohne öffentliche Resonanz ist der Kampf gegen große Konzerne unausgeglichen ...

Félix Braz: Der Whistleblower - und so sieht es auch die irische Gesetzgebung vor, an der wir uns orientieren könnten - ist jemand, der Schritt für Schritt und, wenn möglich, wenig invasiv vorgeht. Er versucht zunächst, Probleme intern zu lösen. Er spricht vielleicht fürs erste mit einem Vorgesetzten. Wer gleich anders vorgehen möchte und das muss jeder für sich selbst entscheiden -, muss sich bewusst sein, dass es arbeitsrechtliche und juristische Folgen nach sich ziehen kann. Ein erweitertes Gesetz zum Whistleblower und eine klar umrissene Prozedur bestärken demnach einerseits den Whistleblower und schützen andererseits Unternehmen und Organisationen gegen verleumderische Anschuldigungen.

Luxemburger Wort: Sollte eine interne Klärung nicht möglich sein oder erfolglos bleiben, was geschieht dann?

Félix Braz: Whistleblower sind oft im Zweifel, wie sie Informationen, über die sie verfügen, deuten sollen. Deswegen wäre ein zweiter Reformansatz die Schaffung einer neutralen Anlaufstelle. Jeder Hinweisgeber könnte dort seine Bedenken mitteilen und sich beraten lassen.

Luxemburger Wort: Müsste der Whistleblower seinen Namen angeben oder könnte er anonym bleiben?

Félix Braz: Das bleibt noch zu klären, es sollte aber im Sinne der Aufklärung vorhanden sein können. Offen ist auch, welche Instanz oder Personen sich mit dieser Aufgabe befassen. Im Bankensektor hat die CSSF diese Rolle im Grunde übernommen. Als Beamte sind die CSSF-Mitarbeiter angehalten, Missstände anzuzeigen. Das gilt für sämtliche öffentlich Bedienstete. In vielen Sektoren gibt es aber keine Regulationsinstanz, an die man sich wenden könnte. Die Beraterrolle könnte auch von Anwälten übernommen werden. Eine weitere Möglichkeit wäre, private Organisationen als neutrale Anlaufstelle zuzulassen.

Luxemburger Wort: ... Weil Anwälte durch das Berufsgeheimnis verpflichtet sind?

Félix Braz: Ja, das würde für die Anwälte sprechen. Wichtig ist, dass besorgte Beschäftigte Ratschläge erhalten können. Sie sollen näher einstufen können, ob etwas an ihren Zweifeln dran ist oder nicht. Wie das genau vonstatten gehen könnte, ist noch nicht entschieden. Ich erkenne einen gewissen Handlungsbedarf, aber es ist noch zu früh, um fertige Lösungen darzulegen.

Luxemburger Wort: Wie ist es mit dem Anwendungsbereich an sich? Sie haben darauf hingewiesen, dass Enthüllungen im jetzigen Gesetz nur bestimmte Vergehen betreffen.

Félix Braz: Das wäre der dritte Punkt. Bei den Vorgesprächen, die ich bislang führte, wurde davon abgeraten alles anzeigen zu können. Das würde zu einem ungesunden Klima im Betrieb führen, wo jeder jeden zu bezichtigen droht. Eine zu breite Auslegung missfällt mir auch, weil das im Umkehrschluss bedeuten würde, dass jeder Mitarbeiter für alles Verantwortung trägt - ganz gleich, was im Betrieb passiert, ob er darüber Bescheid weiß oder an einer Entscheidung beteiligt war. Wir sollten hier nicht Tür und Tor öffnen. Ich würde es bevorzugen, und das entspricht auch Empfehlungen des Europarats, das jetzige Feld im Bereich der Sicherheit, der Gesundheit, der Umwelt und der Menschenrechte auszuweiten.

Luxemburger Wort: Sollte ein Beschäftigter z. B. in einem internationalen Chemiekonzern arbeiten und umweltschädliche Praktiken mutmaßen, würde er einen Schutz als Whistleblower bekommen?

Félix Braz: Unter bestimmten Umständen, ja. Solche Aspekte müssen wir noch näher ergründen. Generell sollte es berechtigt sein, Fragen innerhalb des Betriebs aufzuwerfen. Das Unternehmen soll dann die Möglichkeit haben, darauf zu reagieren. Will eine Privatperson Kritik an der kommerziellen Geschäftspraxis eines Betriebs oder eines gesamten Gewerbesektors ausüben, kann sie das jederzeit in einer demokratischen Gesellschaft tun. Alleine oder innerhalb einer Vereinigung. Der Whistleblower ist in dem Sinn kein politischer Aktivist. Der Whistleblower ist damit nicht zu verwechseln. Hier geht es um etwas anderes.

Luxemburger Wort: Der Whistleblower agiert Ihres Erachtens nach also auf der "Legalität" und nicht in Sachen "Legitimität"?

Félix Braz: Es geht um strafrechtliche Vergehen und den Respekt gesetzlicher Vorgaben. Der Whistleblower will sich nicht vordergründig als Weltverbesserer beweisen, auch wenn sein Handeln dazu beitragen kann. 

Luxemburger Wort: Kommt es zur neuen Gesetzgebung, was könnte das denn für Ermittlungsverfahren und Anklagen wie im Fall von Luxleaks, mit Antome Deltour und dem Journalisten Edouard Perrin, bedeuten?

Félix Braz: Ich äußere mich nicht zu laufenden Justizverfahren. Beim Schutz für Whistleblower geht es im Übrigen nicht ums Presserecht. Wir wollen die Beschäftigten und die ehrlichen Betriebe schützen. Die Verbesserungen, die uns vorschweben, sind als sinnvolle Ergänzung zur heutigen Whistleblower-Gesetzgebung zu verstehen. Das ist der Weg, auf dem wir uns bewegen.

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